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Der Lernfortschritt ist ganz schnell sichtbar

Basiskompetenzen im Fach Deutsch sind Grundlage für Teilhabe und für Bildungserfolg. Was hilft beim Erlernen? Was sagt die Wissenschaft? Wie funktioniert das in der Praxis? Einblicke dazu von Wissenschaftlerin Simone Jambor-Fahlen und Fachberaterin Frederike Korthals. 

"Jetzt wird ganz intensiv gelesen, jeden Tag!" © Getty Images / Klaus Vedfelt

Frau Doktor Jambor-Fahlen, können Sie uns kurz beschreiben, was wir uns unter Basiskompetenzen in Bezug auf das Fach Deutsch vorstellen können?

Jambor-Fahlen: Basiskompetenzen im Fach Deutsch sind die Leseflüssigkeit, die Schreibflüssigkeit und die Lese- und Schreibstrategien. Man könnte sicherlich noch weitere Kompetenzen unter die Basiskompetenzen fassen, zum Beispiel mündliche Basiskompetenzen. Die zuerst genannten Kompetenzen sind die Basiskompetenzen, für die wir im Rahmen von "Schule macht stark" Förderung – also Trainingsmaterialien für die Schülerinnen und Schüler und Qualifizierungen für Lehrkräfte – anbieten. Wir konzentrieren uns auf diese Basiskompetenzen, weil in unserer Gesellschaft gute Lese- und Schreibfähigkeiten für Teilhabe elementar sind.

Wie ist die Lage an Grundschulen mit Blick auf diese Basiskompetenzen?

Jambor-Fahlen: Durch verschiedene, aktuelle Bildungsstudien wissen wir sehr genau, wie wir die Lage einschätzen müssen. Für den „IQB-Bildungstrend 2021“ beispielsweise wurden in Deutschland die Leistungsdaten von Schülerinnen und Schülern in Grundschulen in den Kompetenzbereichen Lesen, Rechtschreibung und Zuhören erfasst. Grob zusammengefasst kann man sagen, dass rund ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler am Ende der vierten Klasse über Fähigkeiten im Lesen, Zuhören und bei der Rechtschreibung verfügen, die nicht den Mindeststandards entsprechen.

Was sind Mindeststandards?

Für den Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen wurden für viele Bereiche – auch für die Basiskompetenzen im Fach Deutsch – von den Ländern gemeinsam Kompetenzerwartungen festgelegt, die Schülerinnen und Schüler erfüllen sollten. Da nicht alle Schülerinnen und Schüler diese Kompetenzen erreichen, hat man darunter eine weitere Stufe eingefügt, die Mindeststandards. Man geht davon aus, dass ein Kind, das diese Mindeststandards erreicht – wenn es entsprechend unterstützt und gefördert wird – erfolgreich in die weiterführende Schule eingegliedert werden kann. Deshalb ist es so wichtig, die Basiskompetenzen zu fördern, damit mehr Kinder die Mindeststandards erreichen und erfolgreich eine weiterführende Schule besuchen können.

Im aktuellen internationalen Vergleich der Leseleistungen von Kindern am Ende der Grundschulzeit („IGLU 2021“) zeigt sich sogar, dass rund ein Viertel der deutschen Schülerinnen und Schüler nicht den international festgelegten Standard für eine Lesekompetenz erreichen, die für einen erfolgreichen Übergang in eine weiterführende Schule notwendig wäre.

Was bietet das Inhaltscluster „Unterrichtsentwicklung“ im Rahmen von „Schule macht stark“ den teilnehmenden Grundschulen zur Förderung der Basiskompetenzen im Fach Deutsch an?

Jambor-Fahlen: Wir haben Qualifizierungsmodule – im Rahmen von „Schule macht stark“ bezeichnen wir unsere Angebote als Module – und Trainingsmaterialen entwickelt und bieten diese den Lehrkräften der Grund- und weiterführenden Schulen an. Alle unsere Module und Trainingsmaterialien dienen dazu, die Schülerinnen und Schüler gezielt dabei zu unterstützen, die Mindeststandards im Fach Deutsch zu erreichen.

In den Modulen vermitteln wir grundlegende Konzepte, effektive Methoden und notwendiges Hintergrundwissen zum jeweiligen Thema. Wir bieten die Möglichkeit zum Austausch mit uns und untereinander. Im Modul zum Schriftspracherwerb beispielsweise stellen wir unter anderem Methoden vor, die das Erlernen der Rechtschreibung fördern. Zu den Themen Leseflüssigkeit, Schreibflüssigkeit und Lese- und Schreibstrategien gibt es Module mit zugehörigen Trainingsmaterialien. In diesen Modulen erfahren die Lehrkräfte dann natürlich auch, wie sie die Materialien so einsetzen können, dass sie wirksam sind und zu besseren Lese- und Schreibleistungen führen.

Die Trainingsmaterialien können die Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern direkt in die Hand geben und mit ihnen arbeiten. Es sind beispielsweise Lesehefte. Mit den Texten und Übungen darin können die Lehrkräfte die Fähigkeiten der Kinder im Lesen effektiv fördern.

Wie arbeiten Sie ganz konkret mit den Schulen zusammen?

Jambor-Fahlen: Wir arbeiten in unseren Modulen wie erwähnt direkt mit Lehrkräften zusammen, andererseits aber auch mit Fachberatungen, wie beispielsweise Frau Korthals. Fachberatungen werden von einigen Ländern für „Schule macht stark“ zur Verfügung gestellt. Sie unterstützen uns dabei, unsere Inhalte an die Schulen zu bringen. Sie begleiten Lehrkräfte mehrerer Schulen beim Einsetzen der Trainingsmaterialien und beim Umsetzen der Konzepte. Es ist nicht einfach, solche doch komplexen Förderkonzepte an Schulen einzuführen und langfristig zu verankern. Daher ist es für uns sehr hilfreich, mit den Fachberaterinnen und Fachberatern zusammenzuarbeiten.

Wir qualifizieren Lehrkräfte und Fachberatungen in unseren Modulen gemeinsam. Die Fachberatungen können dann wiederum die Lehrpersonen optimal unterstützen. Natürlich arbeiten wir in den Modulen zielgruppenspezifisch. Bei Bedarf teilen wir die Gruppe auf und bieten den Lehrkräften und den Fachberatungen jeweils genau auf sie zugeschnittene Informationen und Austauschmöglichkeiten an.

„Es ist ein großer Gewinn, dass durch „Schule macht stark“ sehr viel Expertise und Engagement von der Forschungsseite in die Schulen fließt und die Lehrkräfte gleichzeitig wenig Koordinationsaufwand damit haben.“
Frederike Korthals

Könnten Sie uns anhand des Moduls zur Förderung der Lese- und Schreibflüssigkeit erklären, wie der Ablauf bei diesen Modulen ist?

Jambor-Fahlen: Unsere Module dauern jeweils ein ganzes Jahr. Sie gliedern sich in drei Phasen: In der ersten Phase vermitteln wir die fachlichen Inhalte zum theoretischen Hintergrund und stellen die Materialien vor. In der zweiten Phase erproben die Lehrkräfte das Gelernte in ihrem Unterricht und führen die Trainings durch. Besonders während dieser sieben bis acht Wochen wird ein Teil der Schulen durch die Fachberaterinnen oder Fachberater intensiv begleitet. In der dritten Phase geht es darum, gemeinsam mit den Lehrkräften Strategien zu entwickeln, um die Konzepte und Materialien dauerhaft in ihrer Schule zu verankern. Bei unseren Treffen geht es aber auch immer um Austausch und um Rückmeldungen der Lehrkräfte, die wir in der weiteren Entwicklung von Konzepten und Materialien berücksichtigen.

Während der ersten Phase treffen wir uns drei- bis viermal, um uns auszutauschen. Wir kooperieren mit der Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BISS) und unsere Teilnehmenden dürfen deren E-Learning-Einheiten nutzen. Zwischen den Treffen erschließen sich die Teilnehmenden so weitere Lerninhalte.

„Der Lernfortschritt ist ganz schnell sichtbar für die Schülerinnen und Schüler selbst und für die Lehrkräfte. Wenn die Lehrkräfte diesen Punkt erreicht haben, dann ist es für sie und für die Kinder sehr motivierend.“
Simone Jambor Fahlen

Frau Korthals, Sie begleiten als Fachberaterin Lehrkräfte an Schulen, die bei „Schule macht stark“ teilnehmen. Wie können wir uns Ihre Arbeit vorstellen?

Korthals: Die meisten Lehrkräfte sind sehr motiviert und erarbeiten sich viel selbst. Ich durchlaufe mit ihnen gemeinsam die Module, die online stattfinden. Hier werden neben fachdidaktischen Inhalten auch praktische Ideen für den Unterricht vermittelt und ich begleite sie intensiv: Ich bin da für Fragen und unterstütze sie individuell und genau dort, wo sie es brauchen. Ich biete den Lehrkräften an, während der Trainingsphase ihren Unterricht zu besuchen. Als Fachberaterin habe ich einen Blick von außen auf das System Schule, das ich durch meine Erfahrung als Grundschullehrerin auch von innen kenne.

Außerdem unterstützen wir Fachberaterinnen und Fachberater die Schulen dabei, wie sie die Trainingszeiten im Stundenplan fest verankern können. Ein zentraler Faktor, der zum Gelingen der Initiative beiträgt, ist, dass alle Ebenen in den Schulen mitgedacht werden. Wir arbeiten nicht nur mit den Lehrkräften zusammen, die die Trainings durchführen, sondern auch mit den Schulleitungen, die die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, dass die Trainingszeiten in den Stundenplan fest eingebaut werden können.

„Jetzt wird ganz intensiv gelesen, jeden Tag“
Frederike Korthals

Können Sie uns beispielhaft Leseflüssigkeits-Übungen beschreiben, die von den Lehrkräften im Unterricht durchgeführt werden?

Korthals: Die grundlegenden Lesefähigkeiten werden zum Beispiel durch gemeinsames lautes Lesen im Chor geübt: Jemand liest vor und alle Kinder sprechen im Chor nach. Diese Methode gibt es schon lange, sie gerät im Unterrichtsalltag allerdings immer mal in Vergessenheit und wurde auch eine Zeit lang zu Unrecht als nicht mehr zeitgemäß abgetan.

Das Lesen im Tandem ist eine der Übungen, die direkt mit den Texten aus dem Trainingsmaterial durchgeführt werden können. Die Lehrkräfte stellen Tandems aus jeweils zwei Kindern zusammen. Hierbei kann ich die Lehrkräfte intensiv begleiten, sodass die Kinder optimal voneinander profitieren können.

Fachberaterin Frederike Korthals und Wissenschaftlerin Simone Jambor-Fahlen und im Online-Interview © Korthals: keine Nennung gewünscht; Jambor-Fahlen: © Annette Etges

Die Lesetexte beginnen ganz einfach und steigern sich kontinuierlich. Es gibt beispielsweise sogenannte Treppen-Wörter, wie: "Kinder", "Kinderbuch", "Kinderbuchautor" und so weiter. So kann jedes Kind einen Zugang zu den Aufgaben finden.

Wenn die verschiedenen Übungsformen, wie beispielsweise das Lesen im Chor oder im Tandem, bei den Schülerinnen und Schülern einmal eingeübt sind, entlastet das die Lehrkräfte sehr. Die Kinder können dann relativ selbstständig mit den Übungen in den Trainingsheften arbeiten.

Wird bei den elementaren Leseübungen eigentlich immer laut gelesen?

Korthals: Beim Lesen im Tandem wird natürlich immer laut gelesen. Aber es gibt beides, lautes und leises Lesen. Es gibt auch die Möglichkeit, Kopfhörer zu benutzen und einen speziellen Stift, mit dem man sich Texte vorlesen lassen kann, um dann einzeln leise das Lesen zu üben. Es ist ein Stift, den man auf bestimmte Bereiche im Trainingsheft auflegt, dann liest der Stift den Text vor. Die von mir betreuten Lehrkräfte berichten, dass gerade das Lesen mit diesem Stift den meisten Kindern großen Spaß macht und sehr motivierend wirkt.

Jambor-Fahlen: Zu den Stiften habe ich von vielen Lehrkräften ebenfalls die Rückmeldung bekommen, dass sie extrem motivierend auf die Kinder wirken. Eine Lehrerin hat erzählt, dass sie bereits Pläne machen muss, wer das nächste Mal die Stifte ausgeben darf, weil die Kinder das so toll finden und jeder mal drankommen soll. Dann rennen die Kinder zum Regal, holen die Stifte und verteilen sie.

„Ein zentraler Faktor, der zum Gelingen der Initiative beiträgt, ist, dass alle Ebenen in den Schulen mitgedacht werden.“
Frederike Korthals

Frau Korthals, wie profitieren die Schulen von der Zusammenarbeit mit dem Forschungsverbund?

Korthals: Durch die Fachberatungen, die in einigen Ländern Teil von „Schule macht stark“ sind, steht den Schulen konstant eine Ansprechperson zur Verfügung. Die Lehrkräfte an unseren Schulen sind unter anderem durch die angespannte Personalsituation in den Schulen sehr belastet. An Schulen in sozial benachteiligter Lage ist der Lehrermangel oft besonders groß.Da freut sich eigentlich niemand, eine weitere Aufgabe zusätzlich zu bekommen. Als Fachberaterin habe ich diese Belastung im Blick und unterstütze die Lehrkräfte. Ich übernehme beispielsweise die Kommunikation mit der Universität. Das ist für die Lehrkräfte und die Schulleitungen sehr hilfreich.

Es ist ein großer Gewinn, dass durch „Schule macht stark“ sehr viel Expertise und Engagement von der Forschungsseite in die Schulen fließt und die Lehrkräfte gleichzeitig wenig Koordinationsaufwand damit haben. Sie bekommen die Inhalte komplett fertig und einsatzbereit zur Verfügung gestellt und müssen sich mit der Organisation drumherum nicht mehr beschäftigen.

Frau Jambor-Fahlen, wie sind die Rückmeldungen, die Sie erhalten?

Jambor-Fahlen: Das ist durchaus unterschiedlich. Kürzlich war ich an einer Schule und die Konrektorin hat zu mir gesagt: „Wir haben hier immer so viel zu erledigen. Wir haben uns schon gefragt, wieso, um alles in der Welt, wir uns dieses Projekt auch noch aufgehalst haben?“

Die Schulen in herausfordernden Lagen sind ohnehin schon sehr belastet durch alles, was zu ihrem eigentlichen Kerngeschäft – dem Unterrichten – noch oben draufkommt. Oft haben wir außerdem einen deutlich merkbaren Lehrkräftemangel. Wir sehen, dass viele der Schulen so überlastet sind, dass wir die Beteiligten immer wieder überzeugen müssen, dass der zusätzliche Aufwand für „Schule macht stark“ sie auf lange Sicht entlasten wird.

Zum Beispiel ist das Trainingsmaterial, das wir zur Verfügung stellen, komplett fertig und einsatzbereit. Wie Frau Korthals sagt, ich muss mich als Lehrerin darauf vorbereiten, es einzusetzen. Wenn ich die Funktionsweise aber einmal durchschaut und es eingeführt habe, dann habe ich sehr viele Inhalte, die ich nicht mehr aufbereiten muss. Dann habe ich beispielsweise das Thema Leseförderung schon komplett. Aber das ist etwas, das wir immer wieder kommunizieren müssen.

Ich habe auch mit Schülerinnen und Schülern in dieser Schule gesprochen. Ein Junge aus einer dritten Klasse hat gesagt: „Wir haben gestern angefangen mit dem Leseheft. Das hat so viel Spaß gemacht!“ Ein Mädchen erzählte begeistert von einer Übung, bei der sie einen Text immer drei Minuten lang lesen und markieren, wie viele Wörter sie in dieser Zeit schaffen. Schon beim zweiten Durchgang sehen die Kinder, dass sie deutlich mehr Wörter schaffen als beim ersten Mal und nochmals mehr beim dritten Mal. Das heißt: Der Lernfortschritt ist ganz schnell sichtbar für die Schülerinnen und Schüler selbst und für die Lehrkräfte. Wenn die Lehrkräfte diesen Punkt erreicht haben, dann ist es für sie und für die Kinder sehr motivierend. Das haben uns die teilnehmenden Lehrkräfte immer wieder bestätigt.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Rückmeldungen?

Jambor-Fahlen: Wir passen unsere Module und Materialien anhand der Rückmeldungen kontinuierlich an. Dass wir gemeinsam mit den Lehrkräften an den Materialien arbeiten und diese an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen, dieses ko-konstruktive Arbeiten ist uns bei „Schule macht stark“ ganz wichtig. Natürlich haben wir zunächst eine Basisversion der Trainingsmaterialien zur Verfügung gestellt, in die unsere Erfahrungen und die Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen eingeflossen sind. Sobald die Materialien eingesetzt werden, holen wir laufend Rückmeldungen ein und versuchen, die Materialien entsprechend anzupassen.

Was bedeutet Ko-Konstruktion?

Als ko-konstruktiv bezeichnet man einen Prozess, bei dem Personen mit unterschiedlichem Fachwissen und unterschiedlichem Hintergrund gemeinsam Problemlösungen erarbeiten. Bei „Schule macht stark“ findet die Ko-Konstruktion zum einen zwischen Wissenschaft und Schulpraxis statt, indem die Forschenden und die Schulleitungen beziehungsweise Lehrkräfte gemeinsam Fragen stellen und ihr jeweiliges Wissen einbringen, um diese zu beantworten. Zum anderen wird auch in den Schulleitungsnetzwerken und innerhalb der einzelnen Schulen ko-konstruktiv gearbeitet.

Beispielsweise erarbeiten wir gerade neues Material für Kinder, die noch größere Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben. Dieses Material setzt unterhalb der Textebene an – die Kinder üben zum Beispiel Silben und Wörter flüssig zu lesen – und ermöglicht es, den Unterricht an die unterschiedlichen Lernstände der Schülerinnen und Schüler anzupassen. Im nächsten Durchgang werden wir mit unseren Materialien dann nicht nur zwei, sondern drei Leistungsgruppen ansprechen können: die Kinder, die schon recht fortgeschritten lesen können, die Kinder, die noch Schwierigkeiten haben beim Lesen, und die Kinder, die noch sehr große Schwierigkeiten dabei haben.

Korthals: Das ist sehr wichtig! Gerade gestern fragte eine der Lehrerinnen, die ich begleite: „Was machen wir mit den Kindern, die noch mehr Schwierigkeiten beim Lesen haben?“ Durch das gemeinsame Lernen aller Kinder sind die Voraussetzungen bei den Kindern in den Klassen noch unterschiedlicher geworden. Teilweise arbeiten auch Kinder in der vierten Klasse mit, die noch auf Buchstabenebene lesen. Da zeigen zu können, dass die Materialien an das angepasst werden, was die Lehrerinnen und Lehrer brauchen und sich wünschen, ist sehr hilfreich für den Erfolg des Projekts.

Frau Korthals, was setzen die von Ihnen betreuten Kolleginnen und Kollegen bereits jetzt an ihren Schulen um?

Korthals: Aktuell setzen sie die Trainingsmaterialien zur Leseflüssigkeit ein. Es wird in den Klassen täglich mit den Leseheften und den Stiften gearbeitet. Manche Schulen haben bereits die Voraussetzungen geschaffen, dass eine tägliche Lesezeit fest eingeplant ist. Der nächste Schritt ist, wie Frau Jambor-Fahlen es auch bereits beschrieben hat, die Kolleginnen und Kollegen an der eigenen Schule mit ins Boot zu holen. Dann können alle Kinder an der Schule von den Trainingsmaterialien profitieren.

„Dass wir gemeinsam mit den Lehrkräften an den Materialien arbeiten und diese an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen, dieses ko-konstruktive Arbeiten ist uns bei „Schule macht stark“ ganz wichtig.“
Simone Jambor Fahlen

Wie geht es für die Schülerinnen und Schüler jetzt weiter mit dem Leseflüssigkeits-Training? Was machen sie in den nächsten Wochen?

Korthals: Im Unterricht wird nun täglich laut im Chor und im Tandem und leise gelesen. Ein ganz wichtiger Aspekt ist, dass das Lesetraining auf diese Weise in den Vordergrund gestellt wird. Weil der Lehrplan sehr voll ist, rückt das Lesetraining sonst im Alltag oft ein wenig in den Hintergrund. Ich kenne das selbst aus meiner Zeit als Grundschullehrerin. Die wöchentlich eingeplante Lesezeit lässt man schnell mal weg, wenn beispielsweise Organisatorisches erledigt werden muss. Jetzt ist es wirklich so, dass das Lesen im Tagesablauf dauerhaft fest verankert ist. Jetzt wird ganz intensiv gelesen, jeden Tag! Dadurch haben die Schülerinnen und Schüler Erfolgserlebnisse und sind motivierter selbst zu lesen. Auch die Lehrkräfte sehen diesen Erfolg und motivieren ihre Kolleginnen und Kollegen das Training durchzuführen.

Frau Korthals was sind Ihre Ziele für die weitere Zusammenarbeit mit dem Forschungsverbund?

Korthals: Ich würde gerne die Vernetzung noch weiter vertiefen. Dass Wissenschaft und Praxis miteinander verknüpft werden, wird immer wichtiger werden: Sich austauschen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung! Das funktioniert nicht als Einbahnstraße, sondern als Prozess, an dem viele Akteure beteiligt sind und für den man einen langen Atem braucht, aber es lohnt sich mit Sicherheit!

 

Wir bedanken uns sehr herzlich, dass Sie sich Zeit für unser Gespräch genommen haben!

Dr. Simone Jambor-Fahlen

Simone Jambor-Fahlen ist die Koordinatorin des Inhaltsclusters „Unterrichtsentwicklung Deutsch und Mathematik“ der Bund-Länder-Initiative „Schule macht stark“. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln. Dort war und ist sie für die Koordination mehrerer Förderprojekte im Bildungsbereich zuständig. Sie hat Germanistik, Allgemeine Sprachwissenschaft, Pädagogik und Deutsch als Zweitsprache studiert.

Fachberaterin Frederike Korthals

Frederike Korthals arbeitet als Fachberaterin für das Schulamt für die Stadt Köln mit Grundschulen, die an der Bund-Länder-Initiative „Schule macht stark“ teilnehmen und begleitet das Projekt seit September 2022. Zuvor hat sie an einer Grundschule in Bergisch Gladbach unterrichtet.